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Geo-Engineering – Fantasiegebilde oder eine echte Chance?

Essay
Bild von John Doe, pixel.com
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Geo-Engineering – Fantasiegebilde oder eine echte Chance?

Wenn wir die Medien verfolgen, stoßen wir fortwährend auf einige wiederkehrende Schlagwörter, die durchaus besorgniserregend sind: Meeresspiegelanstieg, Regenfälle, Flutkatastrophe, Hitzewelle, Dürreperiode, Artensterben und viele weitere. Womit diese Negativvokabeln zusammenhängen, sollte uns klar sein: mit der Erderwärmung. Im Jahr 2015 einigten sich Staatsoberhäupter im Zuge des Pariser Abkommens auf eine Erwärmungsbegrenzung von 1,5 Grad Celsius – ein kühnes Vorhaben, wie wir nun wissen: Laut der UN müssen wir – bzw. unsere Kinder oder Kindeskinder – mit einem globalen Temperaturanstieg von knapp 2,7 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts rechnen. Das ist kritisch. Denn nur ein paar vermeintlich kleine Kommastellen bringen schlimme Folgen mit sich: Ernte-Einbußen, Hungersnöte, Klimakatastrophen, Pandemien, das Aussterben bedrohter Tierarten, Einbrüche von Ökosystemen und vieles mehr. Der Weckruf sollte uns eigentlich allen gewahr sein und dennoch ist es schwierig, Änderungen zu initiieren und globale Maßnahmen zu ergreifen. Meinungen gibt es natürlich jede Menge, doch selbst in den Kreisen der Wissenschaft scheint man sich nicht einig zu sein. Das Einzige, was bleibt, ist die Tatsache, dass die Emissionen bei Weitem nicht so schnell zurückgehen, wie es nötig wäre, um die globalen Temperaturen um nur 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu halten – und die Klimakrise verschärft sich. Besonders wenn es um die kritischen Meldungen hinsichtlich der atmosphärischen CO2-Konzentration geht, muss immer tiefer in die Trickkiste gegriffen werden. Somit werden selbst Ideen neu bewertet, die bisher sehr umstritten waren. So verhält es sich auch mit der Thematik des „Geo-Engineering“, das wir bisher nur als gruseligen Science-Fiction-Filmstoff kannten. Und tatsächlich scheint diese umstrittene Technologie ernsthaft geprüft zu werden. Lassen Sie uns im Folgenden einen Überblick darüber verschaffen. 

Was bedeutet Geo-Engineering?

Der schnelle Blick auf Wikipedia liefert uns eine kurze Definition: „Der Sammelbegriff Geo-Engineering oder Climate Engineering bezeichnet vorsätzliche und großräumige Eingriffe mit technischen Mitteln in geochemische oder biogeochemische Kreisläufe der Erde.“ Doch was bedeutet das eigentlich? Geo-Engineering des Klimas, um die globale Erwärmung zu stoppen, wird fast so lange diskutiert wie die Bedrohung durch die Erwärmung selbst. Amerikanische Forscher schlugen beispielsweise in den 1960er Jahren vor, Milliarden weißer Objekte wie Tischtennisbälle auf den Ozeanen schwimmen zu lassen, um das Sonnenlicht zu reflektieren.

Im Grunde handelt es sich also beim Geo-Engineering um die Idee zu verhindern, dass die Sonnenstrahlung die untere Atmosphäre erreicht – und zwar durch das Versprühen von Sulfatpartikel-Aerosolen in die Stratosphäre und somit das „Wiedereinfrieren“ von Polarregionen, die sich zu schnell erwärmen. Dies soll beispielsweise durch den Einsatz von Großmasten geschehen, die Salzpartikel aus dem Ozean in die Atmosphäre sprühen, um diese zu Polarwolken umzuwandeln. Ein Teil der Sonnenstrahlung soll demnach, wie bereits oben erwähnt, zurück in den Weltraum geworfen werden, um so den Planeten zu kühlen. Ähnlich verhält es sich bei einem Supervulkan, der die Stratosphäre mit Aerosolen belädt und die Sonne blockiert.

Dass Menschen in die Ablaufprozesse der Natur eingreifen, ist ja erst einmal nichts Neues, doch welchen Einfluss würde das auf die Gezeiten haben? Die Wissenschaft kann in jedem Fall sagen: Wenn dieses Verfahren in nur einer kleinen Region angewandt würde, hätte es Auswirkungen auf den ganzen Planeten – die Erde kühlte sich ab, die globale Energiebilanz veränderte sich und die Partikel breiteten sich aus. 

Utopisch oder tatsächlich anwendbar?

Das wahrscheinlich größte Risiko besteht laut der US-amerikanischen Klimawissenschaftlerin Kate Ricke (2020) darin, Einfluss auf empfindliche Ökosysteme in hohen Breitengraden zu nehmen – also polare Ökosysteme, die derzeit nicht sehr stark von der städtischen Verschmutzung betroffen sind. Welche Negativauswirkungen dies genau hätte, ist unklar: Der Himmel könnte aufhören, blau zu sein, die Sterne könnten verblassen, Monsunstörungen könnten in Asien und Afrika zu Dürren führen. 

Zudem sei der technische Aufwand enorm: Um beispielsweise die globalen Temperaturen zu stabilisieren oder sie vielleicht ein wenig zu senken, benötigte man im Grunde eine Flotte von hunderten aerosolsprühfähigen Flugzeugen, die natürlich auch erst einmal die Stratosphäre erreichen müssten. Doch gehen wir einmal davon aus, dies funktionierte tatsächlich: Stratosphärenwinde beförderten dann die Aerosole schnell in Breitengrade um den Planeten herum, wobei sie von äquatorialen Regionen zu den Polen hinaufwanderten, sodass dann Partikel in der Nähe der Pole herausfielen. Dies bedeutete jedoch auch, dass Stratosphären-Geo-Engineering nicht nur in einem Gebiet durchgeführt werden könnte. Hinzu kommt, dass der eigentliche Stoff toxisch ist – große Konzentrationen davon in einem Bereich machten Menschen und Pflanzen krank.

Rein theoretisch scheint das Verfahren jedoch tatsächlich eine Möglichkeit zu sein, kurzfristig die Erderwärmung zu stoppen – zumal die Kosten trotz allem vergleichsweise nicht unermesslich hoch wären. Doch selbst wenn die Technologie erfolgreich angewandt würde, wäre unklar, was passierte, wenn Ingenieure anschließend wieder abrupt damit aufhörten, Aerosole in die Stratosphäre zu sprühen. Wahrscheinlich stiegen die Temperaturen wieder auf den ursprünglichen Wert, was wiederum für Pflanzen und Arten gefährlich wäre. Rechtlich würde es wohl ebenfalls kompliziert, denn im Grunde besitzen einzelne Länder ihren Luftraum bis zum Weltraum. Es ist ein wenig mehrdeutig, denn die Verteilung wäre – auch nur bei einer einzelnen Stratosphäreninjektion global – außerdem verblieben Partikel dann im Durchschnitt etwa anderthalb Jahre in der Atmosphäre. 

Kate Ricke (2020) findet hier deutliche Worte: „Schon jetzt scheinen die Auswirkungen des Klimawandels so disruptiv zu sein, dass ich nicht glaube, dass eine so kostengünstige Lösung nicht von jemandem umgesetzt wird. Es gibt einfach nichts anderes auf der Welt, das den Planeten so schnell abkühlen kann.“ 

Hierin erkenne ich nicht nur Chancen, sondern in erster Linie das große Risiko, dass wir eine Technik einsetzen, die wir nicht beherrschen oder deren Einfluss wir nicht eindeutig prognostizieren können. Darum sollten wir motiviert sein, andere – bereits erprobte – Umweltschutztechnologien verstärkt zu fördern, um entweder der Forschung für Ansätze wie Geo-Engineering so viel Zeit zu geben, wie sie eben benötigt oder diese Technologie nie einzusetzen, da es mit anderen Methoden bewerkstelligt werden könnte, den Klimawandel zu stoppen.


Fazit

Wie oben erwähnt, ist das Verfahren keinesfalls ausgereift und wirkt noch recht surreal. Was mir einleuchtet: Sobald weniger Sonnenstrahlen auf die Erde treffen, beginnt eine Klimareaktion. So weit, so gut. Doch ob Geo-Engineering hierbei der Weisheit letzter Schluss ist, bezweifle ich. Eine weiterführende Frage ist dabei: Verstehen wir tatsächlich die globalen Auswirkungen unseres Handelns und damit verbundene Risiken? Der Mensch nahm und nimmt bereits derart viel Einfluss auf die Natur und dies oftmals nicht zum Guten. Grundvoraussetzung für neue Ansätze sind immer die Analyse und Auswertung solider wissenschaftlicher Ergebnisse – die natürlich auch erst einmal erhoben werden müssen. Auch hier ist der globale Austausch maßgeblich: Um einen Wissenschaftstransfer, der auf internationaler Ebene legitimiert wird, zu erreichen, muss mehr und vielseitiger geforscht werden – und dies global im Verbund mit gemeinsamen Zielen. Dies ohne wirtschaftliches Interesse, Machtpositionen oder politische Zusammenhänge zu denken, halte ich derzeit für schwer vorstellbar. Allgemein muss in Sachen Klimaschutz an einem Strang gezogen werden – alles andere führt zu nichts. Eine kollektive Entscheidungsfindung auf globaler Ebene, die auf profunden Forschungsergebnissen basiert, die nicht vom Wettbewerb oder wirtschaftlichen Interessen bestimmt werden, ist meiner Meinung nach der Schlüssel, um reale, wirkungsvolle Resultate zu erzielen.